Food Trends 2016. Was kommt, was geht, was bleibt.

 

Ja, nun habe ich es doch geschafft bevor das Jahr vorbei ist: hier ist meine nicht gänzlich unfehlbare FoodTrend-Prognose 2016. Es ist ja schon eine kleine Tradition, dass ich für euch aufschreibe, was in der kulinarischen Luft liegt. Dieses Jahr hinke ich zeitlich etwas hinterher und viele von euch haben auch schon nachgefragt: kommt sie denn gar nicht die Trendprognose? Doch, doch. Ich habe ja auch keine Erklärung dafür, dass auf einmal schon Mitte Februar ist…

Es geht also um gastronomische Trends, genauso wie um Trends im Lebensmittel-Einzelhandel oder in der Produktion. Es geht um das, was sich international in der FoodWelt tut und um das, was hierzulande ankommt oder ankommen wird. Da ich in Berlin lebe und arbeite, bezieht sich vieles auf die Stadt, bzw. passiert hier. Als ich hier in den 90iger Jahren ankam, war Berlin eine kulinarische Wüste. Berlins erfreulicherweise immer internationalere Bewohner bringen mittlerweile kulinarische Ideen und Anregungen aus aller Welt mit. Das hat Deutschlands Hauptstadt in den letzten Jahren auch zur kulinarischen Hauptstadt gemacht. Hier landen die internationalen Trends und werden dann weitergereicht.

Woher ich weiß, was 2016 auf den Tellern landet? Dazu werte ich viele Quellen aus. Zum einen bin ich das ganze Jahr über im Internet unterwegs. Was auf FB, Twitter und Instagram täglich von Köchen, Journalisten, Bloggern und foodbegeisterten Menschen gepostet wird, verdichtet sich über das Jahr hinweg zu einem großen Informationspuzzle. Ich sammle und bewerte natürlich auch. Eigenes Wunschdenken ist nicht immer zu verleugnen. Über manchen Trend muss man ein bisschen schmunzeln, manchmal auch den Kopf schütteln. Über manches freut man sich, über anderes ist man entsetzt. Verifiziert wird am eigenen Gaumen, auf Reisen, auf Festivals und Messen, in Gesprächen mit Köchen, Produzenten und Geniessern.

Um es gleich vorwegzunehmen: Wahnsinnig viel Neues gibt es 2016 nicht. Aber es ist interessant zu sehen, wie sich die Trends bewegen und verschieben. Ich habe zur besseren Übersicht verschiedene Themenabschnitte mit je drei Unterteilungen eingeführt: Bleibt.Kommt.Geht. Was sich gegenüber meinen Prognosen aus 2015 nicht ändert, habe ich auch hier nicht geändert. Das wurde mir in den Kommentaren letztes Jahr als Faulheit ausgelegt. Da musste ich grinsen. Klar, tue ich nur das Nötigste. Deswegen wird mein ultimativer Trendreport auch immer länger. Ausserdem mache ich die Trends ja nicht. Die meisten Trends bahnen sich über zwei bis drei Jahre an, haben dann einen Peak von 2-3 Jahren und klingen dann über weitere 2-3 Jahre ab. Wann die Trends als solches erkannt werden, hängt davon ab wie tief man in der Materie drinsteckt. Kürzlich hat die FAZ Vermouth als Trend identifiziert. Was soll ich sagen? Den habe ich schon 2013 auf diesem Blog vorhergesagt.

Vorab sei gesagt: Food ist mittlerweile ein Glaubenskrieg. Die Ernährungsfrage spaltet die Gemüter wie sonst politische oder religiöse Themen. Der eigentlich positive Ansatz, zu versuchen durch die eigene Ernährung oder sonstige Konsumentscheidungen „die Welt zu verbessern“, nimmt auch radikalere Formen an. Das ist im eigentlichen Sinne kein Food-Trend, aber doch ein Thema, dass zeigt wie wichtig für viele Menschen ihre Ernährung geworden ist, so wichtig, dass man seine Ernährungsweise zu Glaubensbekenntnissen und Lebensweisheiten stilisiert. Religion wird ja immer unwichtiger. Ernährung als Religionsersatz? Ob man kein Fleisch, kein Gluten, keine Kohlenhydrate, ob man alles roh oder püriert isst, dass sind ebenfalls keine reinen Tischgespräche mehr, sondern bewusstseinsverändernde Fragestellungen. Freundeskreise verbindet ein kulinarischer Lifestyle und immer öfter allergische Vorlieben. Zusammen lebt es sich leichter glutenfrei und Veganer küssen keine Fleischesser. Wenn man es auf Partys als Gastgeber allen recht machen möchte, hat man es richtig schwer. Neulich habe ich einen veganen Gemüseeintopf gekocht, um alle Eventualitäten auszuschließen (Die Freundin die sich gerade raw ernährt, habe ich nicht eingeladen). Da hatte dann jemand eine Zwiebelallergie.

Globale Themen

Bleibt:

„Esse nix, was deine Oma nicht gekocht hätte“ hat mit CLEAN EATING einen neuen Namen bekommen. Dieser erfreuliche Trend propagiert natürliche, saisonale und unverarbeitete Lebensmittel (unprocessed food). Raffinierter Zucker, Sojamilch und generell Lebensmittel mit künstlichen Zusatzstoffen gehören nicht in den Einkaufskorb. Die Abkehr von der Lebensmittelindustrie ist unmissverständlich.

Farm to table, root to stalk, nose to tail, orchard to bottle. Ganzheitliche Konzepte und ganzheitliche Verwertung. Eines der besten Restaurants der Welt, das Noma, setzt völlig auf dieses Konzept und zieht auf einen eigenen Hof, will alle Zutaten selbst anbauen und komplett verwerten.

Kulinarisches Handwerk auch unter dem Modebegriff Craft bekannt, hält sich trotz leichter bereits im Vorjahr eingetretenen Ermüdungserscheinungen und bildet mit den beiden obigen Trends ein passendes Trio.

Kommt:

FREE: Frei von allem möglichen. In unserer kochverrückten Familie hatten wir schon immer den running gag von der fettfreien Sahne. Auf spanisch klingt es noch schöner: nata desnatada (entrahmter Rahm wäre wohl die richtige Übersetzung). Wahrscheinlich steht demnächst auf jeder O-SaftFlasche: lactosefrei, glutenfrei, fettfrei, vegan, raw. Dieser massive Etikettierungswahn entspringt zum einen einer riesigen Unsicherheit. Erstens wissen die wenigsten noch genau was in Lebensmitteln überhaupt normalerweise an Nährstoffen etc..drin ist. Zweitens hat die Lebensmittelindustrie jahrzehntelang hemmungslos ohne Kennzeichnungspflicht alles mögliche überall reingemischt wie Fischgelatine in Saft oder Schweineborsten im Brot, so dass das Vertrauen in die Kennzeichnung auch eher erschüttert ist. Zum anderen ist da dieser Gesundheitswahn. Hauptsache wir haben das krankmachende Böse identifiziert und es bleibt draussen. Egal wie künstlich das Ergebnis ist. Wie vegane Chorizo.

Kochnostalgie. Egal in welches Jahrzehnt oder Jahrhundert, wir sehnen uns zurück! Manches wird auch ein bisschen verklärt, weil früher eben alles besser war. Oma-Rezepte, Heimatküche, auch Skurriles auch der Kochklamottenkiste der 60iger und 70iger.

Geht:

Vegan gehört mittlerweile zum kulinarischen Etablissement und kann nicht mehr als Trend bezeichnet werden. Der Hype flacht ab. Was passiert nur mit den tonnenweise produzierten Kochbüchern? Vegane Smoothies, vegane Cupcakes, veganer Käse, vegane Sonntagsbraten… alles gesehen. Vegan für Babys war eindeutig mein Favorit. Bloss weg von der Brust.

Paleo ist auch eher durch. Essen wie die Jäger und Sammler aus der Steinzeit hat sich nicht ganz durchgesetzt, hatte aber auch sein Gutes. Ich konnte jedenfalls gut verstehen, wenn man gerade in den USA behauptet, dass sich der Körper im Laufe der jüngsten Evolution nicht den modernen Ernährungsgegebenheiten angepasst hat. Industriefood ist eben schwer verdaulich. Steak und Gemüse geht da schon besser.

Länderküchen

Bleibt:

Regional, regionaler, am regionalsten! Je nach favorisierter Interpretation dieses dieses höchst internationalen Trends kommen die Zutaten vom Herd aus gemessen aus 50, 100 oder 250 km Entfernung. Strenge Verfechter begnügen sich nicht damit beim Bauern in der Umgebung einzukaufen, sondern sammeln heimische Beeren, Algen oder Moose und verzichten auf Weithergebrachtes wie (je nach Land) Schokolade, Zitronen oder Pfeffer.

Auch hier mittlerweile angekommen: Latein- und Südamerikas Küchen werden entdeckt, ihre Köche stehen international im Rampenlicht. Ceviche ist das neue Sushi und Pisco Sour der neue Mojito. Mexico beyond TexMex hat noch sehr viel Potential. Die superinteressante amazonische Küche wird es hierzulande mangels Zutaten wohl etwas schwer haben.

Korea hält und hält und hält sich. In Berlin erlebt es eigentlich gerade durch einige Restauranteröffnungen die dritte PopularitätsWelle. Kimchi, Tischgrill und Bibimbap haben gerade viele Freunde.

Israelische/jüdische Küche rund um orientalische Spezialitäten wie Hummus oder mit europäisch/amerikanischen Deli-Gerichten wie der Pastrami-Sandwich, halten sich. Der gute alte Bagel feiert ein Revival. Es gibt auch eine neue Jüdische Küche, deren Rezepte auch den Trend zur osteuropäischen Küche beflügeln und auch zur Oma-Küche passen. Latkes kennt man bei uns als Kartoffelpuffer, Babka ist ein gefüllter Hefekuchen und Strudel ist sowieso universal.

Kommt:

Die Osteuropäische Küche wird neu entdeckt, die ersten schönen Kochbücher zum Thema wurden auf der Frankfurter Buchmesse gesichtet. Pelmeni sind die neuen Ravioli und fermentiertes Gemüse ist sowieso ein eigener Trend. Vielleicht können Griechenland und die Türkei da ein bisschen mit aufspringen.

Karibische und kreolische Küche erlebt erfreulicherweise immer wieder kleinere Hypes. Es ist wieder einer in Sicht, vor allem als Street Food sind PoBoy Sandwiches, Gumbos und Jambalayas im Angebot. Mal sehen, ob die auch hier Freunde finden.

In den USA ist die pazifische Küche sehr im Kommen. Konkret Philippinen und Hawaii. Von uns aus gesehen noch weiter weg. Während wir hierzulande noch Ceviche als das neue Sushi feiern, erobert sich in USA Poke aus Hawaii die Herzen der Liebhaber rohen Fischs. Ob es die pazifische Küche auch zu uns schafft?

Frankreich ist schon soo lange sagen wir mal: nicht angesagt. Ich prophezeie da ein Comeback, vor allem über handwerkliche Produkte wie Käse, Cidre und Gebäck und über regionale Küche.

Geht:

Japan und der Trend zur Nudelsuppe sind am abklingen. Ramen wird für immer in unseren Suppenherzen bleiben, aber die kulinarische Avantgarde wendet sich anderen Dingen zu.

Skandinavien/Nordic Cusine ist als Hype auch schon durch. Wie jedem wirklich großen Trend gebührt ihr ein langer Abschied.

Italien!!!! Ich will nicht sagen das Italien aus der Mode kommt, denn das wird nie passieren. Aber Pasta und Pizza sind nicht mehr so angesagt. Wegen glutenfrei!!! Dabei macht Pasta doch glücklich. Wo soll das alles nur hinführen?

Gastrotrends:

Bleibt:

Einen eigenen Garten zu haben ist weiterhin schwer angesagt, die neue Philosophie vom Noma beweist es.

Kleine Portionen, Tapas, Gerichte zum Teilen.

Pop up-Restaurants und Dinner Clubs hatte ich schon totgesagt. Dinner-Abende im privaten Rahmen sind auch tatsächlich eher out. Aber junge Köche erproben temporär experimentelle Konzepte in coolen Locations. Nomadic chef heißt das dann. Und Sterneköche gehen mit der ganzen Küche auf Reisen, poppen am anderen Ende der Welt auf und sind dort auch ausgebucht.

Kommt:

Gesunde Speisekarten mit zwanglosem unkomplizierten Health Food (im Einmachglas oder noch aktueller in einer Schale, dem bowl, serviert), Chia Pudding mit selbstgekochtem Kompott zum Frühstück, viele Salate (Quinoa nicht vergessen), Sandwiches ohne Brot. Alles schön gekennzeichnet: RAW, vegan, glutenfrei, detox.. Der Trend für ernährungsbewusste Frauen.

Exzessive Gerichte. Der Gegentrend. Extrem viel Käse. Extrem große Portionen. Extrem viel Bacon. Extrem viel ungesund. Aber geil. Weil ich es mir Wert bin. Der Trend für bärtige, eher kräftige Männer (dad bod).

Bei diesen beiden Trends zeigt sich, dass es auch bei der Ernährung eine bedauerliche Geschlechtertrennung gibt, die für Vermarktung etc.. immer signifikanter wird. Frauen werden zu veganen Hasis degradiert, ständig an ihrem Smoothie nippend, und Männer mutieren zu tätowierten Fleischessern, die zum rohen Herz einen doppelten Rye Bourbon trinken. Schrecklich.

Sogenannte Gastrobars in denen Getränke (z.B. Wein, Vermouth, Sherry) dieselbe Rolle wie die meist kleinen aber sehr feine/spezialisierte/abgestimmte Speisekarte spielen. In Berlin ist die wunderbare Cordobar damit verdientermaßen supererfolgreich und das Konzept hat noch viel Potential.

Geht:

750 Gänge Menus mit Weinbegleitung. Zuviel kulinarisches Mittelmaß und übermäßig ambitionierte Sommeliers sorgen für Ermüdungserscheinungen. Natürlich wird es weiterhin faszinierende Menus mit unglaublicher Weinbegleitung geben. Aber drei Gänge und eine schöne Flasche Wein oder auch zwei sind manchmal einfach die bessere Wahl.

Food Trucks und Street Food sind zwar gekommen, um zu bleiben, aber ein bisschen rollen sie bergab. Kein heißer Trend mehr..

Brunch bzw. frühstücken den ganzen Tag lang. Breakfast for dinner ist bald von gestern. Zubereitung/Produkte:

Bleibt:

BBQ RULES. Ja immer noch. Die Weber Grillfibel ist wahrscheinlich das meistverkaufte Kochbuch der Welt (kleiner Scherz). Die Angst vor potentiell krebsauslösenden Stoffen scheint vorbei zu sein, denn gerade verkohltes gilt als kulinarisches Highlight. Die Krebsrisiko-Angst ist sowieso eine sehr deutsche.

DIY. Yes you can. Einmachen! Ketchup, Saucen, Konfitüren, Senf, Pickles… Räuchern, Pökeln, Wursten: Schinken, Pastrami, Fisch, Braten…. Käse, Joghurt, Kefir..

Die Hybrideerfindung, d.h. die schamlose Vermengung beliebter Lebensmittel insbesondere Backwaren: Cronut, Crookie, Townie… hat sich zurückgerundet und hält sich länger als ich dachte. Jeder hat zwar nun gemerkt, dass der Ramen Burger unmöglich zu essen ist, aber IceCreamCookieSandwiches sind immer noch angesagt (zu Recht). Neulich habe ich ein Churro-Eiscreme Sandwich auf Instagram gesehen. Krass pervers! Will ich unbedingt probieren. Und aus USA kommt gerade so eine Art Cookiebecher der mit aromatisierter Milch gefüllt wird. Da freue ich mich auch schon drauf.

Kommt:

Fermentation ist in den USA und den nordischen Ländern in buchstäblich in aller Munde. Trotzdem Deutschland das Land des Sauerkrauts ist, weiß hierzulande fast kaum noch jemand wie man es fermentiert.. Aber ich bin zuversichtlich, der Trend wird auch hier ankommen. Kimchi ist z.B. viel schicker als Sauerkraut und derzeit die Einstiegsdroge zur Fermentation. Gleich danach kommen Kombucha und Kefir. Und der wahre Hipster kommt nicht am selbst gemachtem Ruby-Sauerkraut zum Sliced Pork Tongue-RyeBread Sandwich vorbei.

Brühe kochen. Am liebsten aus Knochen. Boil your Bones! Der Spruch wird auch schon auf Stoffbeutel gedruckt und ist damit ins Hipsteruniversum aufgerückt. Der Trend kommt aus New York. In Berlin hat bereits die erste Brühe Bar eröffnet, natürlich in Neukölln. Die Message: Knochenbrühe ist gesund, enthält Collagen und hält dadurch jung. Ausserdem ist es eine tolle Verwertung und bei den Preisen die man für eine schicke Brühe erzielen kann, dürfte sich das Geschäft durchaus lohnen.

Geht:

Sous Vide ist als Trend durch. Smoothies auch.

Zutaten

Bleibt:

Eier sind ganz groß da! Put an egg on it ist die Devise. Kein Scherz. Alles ist erlaubt, am beliebtesten sind Spiegeleier und pochierte Eier. Natürlich sollten es Bio Eier sein, und wenn sie nicht von einem Zweinutzungshuhn kommen, sollte man zumindest die Hühnerrasse kennen, um dem ei eine gewisse Noblesse zu verleihen.

Alles was grün und blättrig ist. Löwenzahn, Mangold und Stielgemüse. Rübenblätter wie Stielmus oder Grelos

Avocado im Salat, als Soße (Guacamole natürlich) auf dem Sandwich.. bitte überall wo es geht.

Fisch: Heimische Salz- und SüssWasserFische wie Hering, Dorsch, Forelle oder Karpfen. Karpfen ist überhaupt laut Greenpeace der einzige Fisch, den man noch unbedenklich essen kann. Meeresfrüchte Austern sind in und Seeigel auch.

Getreide und Pseudogetreide: Bekannte und wiederentdeckte Sorten werden nicht nur gebacken, gebraut und destilliert (z.B. Dinkelbrot, Dinkelbier und Dinkelwhisky) sondern auch wieder gekocht. Roggen ist im Brot und im Whisky. Statt Risotto bestellt man Grünkerngrütze. Morgens Haferbrei zu essen, ist nicht nur für Magenkranke sondern für Foodtrendbewusste. Das heißt dann aber Porridge. Regional angebaute Sorten sind die Favoriten, Hirse wird schon als das neue Quinoa gefeiert.

Butter und Käse. Richtig guter handwerklich hergestellter Käse. Am besten man kennt den Käser oder die Käserin. Käsespätzle, Käsetoast, Käsefondue. Rohmilchbutter.

Kommt:

Schnecken! Langsam kommt die Schnecke als Eiweißquelle und Delikatesse zurück auf unsere Teller. Mit dem Vormarsch vom Fleischkonsum aus Massentierhaltung und dem Einflussverlust der Französischen Küche hat man auch in Deutschland die Schnecken als günstige Eiweißquelle und als in der Fastenzeit beliebte Delikatesse vergessen. Ulms berühmte Schneckenzüchter haben im 18 Jahrhundert Schnecken bis nach Wien geliefert, dort nannte man sie die Ulmer Auster. Ob der alte Glanz zurückkehrt, weiß ich nicht genau, neulich las ich aber, dass auch in England Schneckenfarmen entstehen, free range natürlich!

Algen (Wakame und co.) werden der neue Kohl. Überall entstehen gerade Algenfarmen. Ich wünsche gute Geschäfte. Tatsächlich schmeckt Algensalat auch gar nicht schlecht. Ich mag ihn mit Qualle und Ingwer.

Hülsenfrüchte. Bohnen, Linsen und Erbsen in ihrer ganzen wunderbaren Vielfalt. Vor allem mit Bohnen liegt man nicht falsch. Der Aufstieg der südamerikanischen Küche hat hier bestimmt eine Rolle gespielt.

Gewürze. Chili & Co Scharf soll nicht nur scharf sein, sondern auch würzig. Kurkuma wir nicht nur wegen Farbe und Geschmack geschätzt sondern auch wegen seiner gesunden Eigenschaften.

Hochwertige Fischkonserven, Räucherfisch, Stockfisch und der gute alte Rollmops.

Geht:

Das Schwein. Es wird natürlich irgendwie bei uns bleiben, wie alle guten Dinge, aber Schweinebauch ist echt durch. Bacon auch. Seine Innereien (Schweinezunge!) haben noch eine Chance bei Kennern oder vergessene Teile wie Ohren und Füße. Kohl und die Verwandschaft gehen so langsam.

Kohl. Blumenkohl und Rosenkohl sind noch ein bissschen sexy. Den Trend zum Grünkohl hat man hierzulande verschlafen. Wahrscheinlich waren wir zu stark vorbelastet. Oder ich bin zu ungeduldig und er kommt doch noch?

Überteuertes Superfood wie supergepritzte Goji-Beeren aus China. Die Erkenntnis wächst, dass Superfoods nicht von weither kommen müssen, um super zu sein. Jedes Land ist mit Superfoods gesegnet, d.h. mit Lebensmitteln die überdurchschnittlich viele Nährwerte besitzen. Man muss also nicht den armen Bauern in Bolivien den Quinoa wegessen, um sich gesund zu ernähren. Leinsamen ist zwar unsexy, aber tatsächlich auch ein Superfood.

Was geht noch: Holunder, Rhabarber, Jakobsmuscheln, weißer Zucker, Schokolade….

Lebensmittelhandel

Bleibt:

Echte Bäckereien, handwerklich hergestelltes Brot, Sauerteig, gutes Mehl. Fettgebackenes!!! Ja, wirklich: Berliner, Krapfen und Doughnuts. Aber nicht die aus der Bäckerretorte sondern am Besten aus Sauerteig und gefüllt mit Ziegenkäse/Waldhonig/Rosmarincreme.

Kleinere Läden, mehr Spezialisierung z.B. auf Käse und Brot, Wein und Wurst wie bei „Vom Einfachen das Gute“ in Berlin. Möglichst ohne oder mit nur wenig Verpackungen.

Märkte. Wochenmärkte, Bauernmärkte, Themenmärkte.

Kommt:

Metzgereien werden zu Fleischboutiquen in denen Rinderhälften die Auslagen zieren. Rinder und Schweine werden nach Anteilen direkt von der Weide an Einkaufsgemeinschafen verkauft. Am Besten der Kunde kann nach Wunsch mit beim Schlachten dabeisein. Wurst wird live gemacht und nach Kundenwunsch gewürzt.

Food Boxen Versand war ein kurzer Boom, die ersten Unternehmen sind schon wieder weg. Hat schonmal eins schwarze Zahlen geschrieben? Allerdings entstehen gerade wieder einige neue, von internationalen Investoren stark finanzierte „FoodTech-Unternehmen“. Manche verschicken regionale Lebensmittel, andere gesunde Fertiggerichte, andere von Sterneköchen kreierte Speisen zum aufwärmen. Mir gefällt das alles nicht, vor allem wegen der Logistik (Co2) und den Verpackungen. Aber das ist ja kein Grund, warum nicht eines der Unternehmen auch mal erfolgreich sein kann.

Geht:

Food Waste. Ist echt nicht mehr angesagt. Überall entstehen No Waste Läden, No Waste Restaurants und in Frankreich gibt es sogar eine neue Gesetzgebung, die es Supermärkten verbietet, essbare Lebensmittel zu entsorgen.

Getränke

Bleibt:

CRAFT BEER ist aus USA herübergeschwappt und über uns gekommen. Ich denke das ist an keinem vorbeigegangen. Ein Untertrend sind neuerdings Sauerbiere: Die totgeglaubte Berliner Weisse kehrt wirklich zurück! Erstmal wohl nur für aficionados aber immerhin..

Naturbelassener Wein, Spontanvergärung, biodynamische Weine. Orange wine. Weine aus Amphoren und Betontanks. Weine autochthoner Reben. Nostalgische Retro-Trauben: Sylvaner, Scheurebe, blauer Portugieser, gelber Muskateller.. Feinherbe Weine, Süssweine. Kleine Champagnerhäuser. Vermouth ist gekommen und hat noch ne Weile Potential. Sogar die FAZ hat es erkannt.Ob Pastis und Arrak  auch kommen?

Kalter Kaffee. Nach specialty coffee und handgebrühtem Kaffee kommt kalt gebrauter Kaffee.

Kommt:

Spirituosen handwerklich arbeitender Destillerien. Pisco aus Peru. Neue Rumsorten weg vom Einheitsbrei. Cachaça und Rhum agricole aus Zuckerrohr. Whisky aus aller Welt z.B. Japan, Tasmanien , Schweden 0der vom Polarkreis und aus ungewöhnlichen Getreidesorten wie Roggen oder Hirse. White (ungelagerter) Whisky.

Sherry kommt in großen Schritten. Nach dem langen Niedergang, bedingt durch schlechtes Marketing und klebrigem Oma-Image ist handwerklich hergestellter Sherry wieder da. Die kleinen unbekannteren Bodegas werden wiederentdeckt, andere werden von wohlhabenden Investoren, die es sich leisten können alte Soleras und Bestände aufzukaufen, neu gegründet, und haben gleich Erfolg. Sommeliers und Köche haben Spaß beim FoodPairing und die ersten Sherry Festivals außerhalb von Spanien finden statt.

Geht:

Tschüss Gin! Mehr geht einfach nicht.

Hasta la Vista Cocktails in Einmachgläsern.

Infused spirits. Vodka mit Vanille und Cranberry und so..

Disclaimer:

Irrtum ausgeschlossen? NEIN. Hab ich was vergessen? Übersehen? Ganz bestimmt! Wenn Ihr Lust habt, schreibt es mir. Für Gastronomen, Lebensmittelhändler und Lebensmittelproduzenten erstelle ich individuelle Prognosen und berate ggf. zu einer Neuausrichtung der Speisenkarte, des Angebots oder des Produkts inkl. Marketing und Pressearbeit.

Mehr zu meiner Arbeit unter http://www.tidbits.de

Man findet mich auch auf Instagram: https://instagram.com/berlintidbits (nicht nur mit Food Fotos).

Und natürlich Facebook: https://www.facebook.com/berlintidbits

Viel leckeren Spaß in 2016!

11 Kommentare

  1. Die Eistester · Februar 9, 2016

    Zitat: „Frauen werden zu veganen Hasis degradiert, ständig an ihrem Smoothie nippend, und Männer mutieren zu tätowierten Fleischessern, die zum rohen Herz einen doppelten Rye Bourbon trinken. Schrecklich.“
    Danke für diese Zeilen, YOU MADE MY DAY!
    Und überhaupt, eine großartige Zusammenfassung, ein wunderbarer Rückblick und ein spannender Ausblick!!!!

    • berlintidbits · Februar 9, 2016

      Danke! Lass uns hoffen, dass dieses Szenario nicht wirklich wahr wird. Ich freue mich, dass du weisst, was ich meine 😉

  2. Mona · Februar 10, 2016

    Sehr schöne Zusammenfassung. Bei der Bemerkung zum Grünkohl musste ich etwas widersprechen, ich dachte, er wäre gerade im Kommen, zumal es ja so schöne neue Ideen zur Zubereitung gibt – nicht nur die totgekochte Pampe (Grünkohlfans mögen mir verzeihen). Ich habe kürzlich ein paar neue Sachen mit Grünkohl ausprobiert – und uns hat’s geschmeckt. CLEAN EATING mache ich schon seit vielen Jahren, da gab es nur diesen Begriff noch nicht. Ich betreibe das sicher nicht ganz der reinen Lehre nach, da ich auf Zucker nicht verzichte, aber ich verzichte auf verarbeitete Lebensmittel – zumindest zum größten Teil. Leider kann ich aus Zeitgründen nicht alles selbermachen, so kaufe ich dann doch mal ein Glas Senf oder Dosentomaten. Ob das Schwein wirklich geht? Ich selbst kann ja gut darauf verzichten, aber wenn ich mir die Menschen in meiner Umgebung so anschaue…
    Sind wir mal gespannt, was eintrifft und was nicht – vieles klingt für mich aber sehr plausibel. Wir schauen mal in einem Jahr nochmal rein 🙂

    LG
    Mona

  3. geraldzs · Februar 10, 2016

    Das Wort zum Chilli – es muss nicht nur scharf sein – in Gottes Ohr; vielleicht muss ich mich (alias ChiliCult) ja doch noch als Chilliprediger gerieren…

    Und die Geschlechtertrennung fällt mir auch auf (oder zumindest die Worte dazu) – und lässt mich jetzt wundern, ob man die vielleicht Instagram- und Foodblog-marketingtechnisch erfolgreich durchbrechen könnte. Da bräuchte es aber wohl doch auch noch ein paar mitmachwillige Frauen; ich mit smoothie (oder Schweinebauch, rotgebraten) alleine wär’s wohl nicht 😉

  4. Fabian · Februar 10, 2016

    Ich stimme Mona zu: Teilweise schreibst du meines Erachtens – bei deinem Blog nicht verwunderlich – schon eher über Trends in der Foodie-Szene, nicht über „bevölkerungsweite“ Phänomene. Kein Schwein in Deutschland? Hmm hmm…

    Auch „Ceviche ist das neue Sushi“ ist so eine Sache. Theoretisch ist Ceviche ja eher das neue Sashimi. Aber Letzteres war in Deutschland ja auch deutlich unpopulärer als Sushi. Warum? 3 Vermutungen:

    1) In meinem Bekanntenkreis bevorzugen die Sushi-Esser ganz klar die Varianten ohne Fisch (California Roll, frittiert etc.). Ceviche ohne Fisch? Schwierig.

    2) Sushi kann man einfach und unkompliziert nebenher auf der Parkbank, während Germany’s Next Topmodel, oder bei Nordsee direkt aus dem Kühlregal „snacken“. Sashimi ist da ja doch eher etwas „schwieriger“ handhabbar und auch nicht gerade ein „Nebenher-Snack“. Außerdem entfällt bei Sashimi ja der Lieblingsteil für viele Deutsche: Reis ordentlich in Sojasoße ertränken und ab dafür. Bei Ceviche gibt’s weder Reis noch Sojasoße. Dafür aber oft Algen, was die Leute schon bei Sushi nicht mochten. Bääh.

    3) Sushi kann deutlich günstiger hergestellt werden als Sashimi. Einfach viel Reis, wenig Fisch. Für den Deutschen, der ja am liebsten gar kein Geld für Essen ausgibt – und wenn schon Sushi dann All-you-can-eat für 5 Euro: Perfekt. Ceviche mit Einsparungen beim Fisch? Durch was wird das ersetzt? Mehr Mais-Pops?

    Ich denke, die kulinarische Avantgarde hat die peruanische Küche schon seit Längerem zu schätzen gelernt. Ein großer Trend? Meiner Meinung nach eher nicht. Aber dass die japanische Küche – oder was wir hierzulande darunter verstehen – in Popularität weiter abnimmt, denke ich auch. Alternativ dann zum Beispiel koreanisch, dessen Trend für Viele mit Sicherheit noch nicht mal die ERSTE Reinkarnation sein wird. Wie gesagt: Manchmal denkst du glaube ich etwas zu sehr in der Berliner Foodie-Szene.

    In jedem Fall aber: Sehr schöner Beitrag! Vielen Dank!

    Liebe Grüße,
    Fabian

    • berlintidbits · Februar 11, 2016

      Hey lieber Fabian,
      mir ist völlig klar, dass viele von dem was hier in Berlin passiert nicht oder nicht so schnell im Rest der Republik ankommt. Dass ich hier live aus der Foodie Szene melde, schreibe ich ja auch in meiner Einleitung. Zum Thema Schwein (und das gilt auch für andere Prognosen): ich sage ja nicht, dass wir in Deutschland kein Schwein mehr essen werden. Dass werden wir hierzulande genauso tun, wie wir es getan haben bevor das „Schwein“ trendy wurde. So wie Menschen Schiesser Unterwäsche tragen, obwohl gerade String Tangas der letzte Schrei sind. Aber auf Verkaufszahlen kann es sich schon auswirken, ich hoffe sehr auf die vom Schwein aus Massentierhaltung! LG aus der Foodiehauptstadt

  5. mehlstaubundofenduft · Februar 11, 2016

    Immer wieder schön zu lesen. Obwohl ich’s um den Rhabarber schade find. Was ist mit Brot selbst backen? Bin ich nun in oder out ;)?

    • berlintidbits · Februar 11, 2016

      VOLL IM TREND meine Liebe! DIY überhaupt. Und Rhabarber is ja nicht aus der Welt… Liebe Grüße!

  6. Lena · Februar 11, 2016

    Megainteressant zu lesen, auch wenn ich nicht bei allem deiner Meinung bin ;).

    Total in und im kommen: clean eating falsch verstehen 😀

    Ich freue mich auch, dass die latein- und südamerikanische Küche bleibt und denke, dass jüdische Küche noch mehr kommen wird. Pazifische Küche: yay!

    Streetfood und Foodtrucks sind geil, wurden aber viel zu sehr gehypt und nerven sogar mich inzwischen. Schade, aber da bin ich froh, wenn ich es nicht mehr überall lesen muss. Gehen müssen sie deshalb nicht alle. Wobei damit vielleicht auch der Schund unter den Foodtrucks verschwindet.

    Hybridfood: Wo gibt es die aromatisierte Milch im Keksbecher? Klingt furchtbar künstlich, aber auch furchtbar interessant ;).

    Fermentation ist meiner Meinung schon seit 2-3 Jahren da und kein neuer Trend mehr. Kimchi schon fast ausgelutscht (kann gerne wieder gehen), Kombucha (noch nicht genug gehypt, aber schon lange da) und auch Kefir ist schon da.

    Smoothies sind vielleicht kein Trend mehr, sondern fest etabliert, bleiben aber sehr präsent. Sous Vide muss weg, allein schon wegen der vielen Plastiktüten… weniger Verpackung, wenige Müll, da bin ich ganz bei dir!

    Ich hoffe der Schneckentrend kommt mit vielen nachhaltigen free-range Schneckenfarmen! Ich liebe Schnecken!

    Krapfen mit Ziegenkäse/Waldhonig/Rosmarincreme-Füllung? Wo? Ich brauche das!
    Bitte mehr Handwerksbäckereien und mehr Metzger!

    Liebe Grüße
    Lena

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